Sonderausstellung im StadtPalais – Museum für Stuttgart
Bericht Maria Seidler vom 5. April 2024
Im StadtPalais – Museum für Stuttgart lief vom 16. Februar bis 5. Mai 2024 die interessante Sonderausstellung „Blind Date mit Stuttgart, entdecke Deine Stadt im Dunkeln“. Die Ausstellung konnte nur mit Führung besucht werden und richtete sich in erster Linie an sehende Besucher*innen, die von blinden oder sehbehinderten Guides durch den dunklen Ausstellungsraum geführt wurden.
Wie entstand das Konzept zur Ausstellung?
Die Museumsleitung besuchte die Dunkelausstellung Dialog Museum in Frank-furt und es entstand der Plan, in Stuttgart im StadtPalais eine Sonderausstel-lung im Dunkeln anzubieten. Ein erster Ideenaustausch zur Realisierung fand am 21. Juli 2023 statt, daran beteiligt waren Frau Gebel, Museumspädagogin, Claudia Böhme, Kulturvermittlerin aus Augsburg, Matthias Nagel, engagiert für Inklusion im kulturellen Bereich in Stuttgart, und ich. Meine Mitarbeit kam dadurch zustande, dass ich bereits seit 2018 im StadtPalais Führungen durch die Dauerausstellung für blinde und sehbehinderte Menschen anbiete. Matthias Nagel, Claudia Böhme und ich haben das Konzept für die Ausstellung entwickelt. Die Museumsleitung wollte diese Aufgabe ausdrücklich an Men-schen mit Blindheit oder Sehbehinderung vergeben. Diese Voraussetzung war bei uns dreien im Kuratorenteam erfüllt. Mit Unterstützung von Frau Gebel entwickelten wir das Konzept mit sieben Stationen, bei denen Hören, Riechen, Tasten und Schmecken, aber auch die Orientierung im Dunkeln mit Hilfe der Guides erlebbar wurden. Es fanden mehrere Abstimmungsgespräche per Zoomkonferenz statt. Dabei standen die Fragen im Vordergrund: Wie wird der 130 qm große Ausstellungsraum gestaltet, was dürfen wir den sehenden Besucher*innen im Dunkeln zumuten, welche Aufgaben kommen auf die Guides zu, welche Orte in Stuttgart wollen wir thematisieren? Hier hat eine Umfrage bei den Mitgliedern der BG Stuttgart nach ihren Lieblingsorten Anregungen für das Ausstellungskonzept gegeben. Ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung war der Sound für die einzelnen Stationen. Hierfür hat Matthias Nagel das Drehbuch erarbeitet, Claudia Böhme hat für den Start durch die Ausstellung und für die einzelnen Stationen Empfehlungen für die Guides erstellt und ich habe Hintergrundinformationen zu den Stationen zusammengetragen. Von Seiten des StadtPalais wurden über die Haustechnik und den museumspädagogischen Dienst die Verdunkelung und die Installation für die Lautsprecher sowie große Teile der Möblierung organisiert. Kurz vor Weihnachten stand das gesamte Konzept. Nun kam eine neue Aufgabe: Wie finden wir geeignete blinde und sehbehinderte Guides? Hier haben sich Anfang 2024 dann unsere Sorgen zerstreut. Aus der BG Stuttgart haben sich Guides gemeldet und nach einem Aufruf im LBSV-Newsletter kamen weitere Guides aus dem BSV Würt-temberg dazu. Auch Mitglieder vom Verein aus:sicht (betreibt das Dunkelrestaurant in der Rosenau) beteiligten sich. Am 24. Januar fand das erste Treffen mit den Guides statt, überwiegend in Präsenz, einige auch per Zoom. An diesem Tag war Bahnstreik. Wir konnten unser Konzept vorstellen sowie das Sicherheitskonzept erklären. Von Frau Gebel wurden Fragen zum Honorar für die Guides beantwortet. Die Guides wurden wenige Tage vor der Eröffnung der Ausstellung vom Kuratorenteam geschult, hier vor allem zum Abruf der einzelnen Geräusche passend zur Station mittels einer Fernbedienung und in der Handhabung für den Notlichtschalter. Die Führungen wurden stets mit zwei Guides durchgeführt, einem führenden und einem unterstützenden Guide. Wir drei vom Kuratorenteam übernahmen ebenfalls Führungen.

Eröffnungsabend am 15. Februar
Bei einer gut besuchten und schön gestalteten Eröffnung der Sonderausstellung „Blind Date mit Stuttgart“ im Foyer des StadtPalais durfte mit Musik gefeiert werden. Es fanden erste Kurzführungen für zwei Stationen der Ausstellung statt. Der BSV Württemberg hatte an diesem Abend Gelegenheit, sich mit einem gut gestalteten Infostand zu präsentieren. Hierfür ein herzliches Dankeschön an Ralf Müller, Bezirksgruppenleiter Ludwigsburg, und Bianka Haacker, Bezirksgruppenleiterin Stuttgart, für die Arbeit am Infostand. Der Infostand fand reges Interesse beim sehr aufgeschlossenen Publikum.

Blind date mit Stuttgart 

Bildbeschreibung: Eröffnungsfeier 15.02.2024, Podiumsgespräch, v.l.n.r. Sil-via Gebel, Maria Seidler, Claudia Böhme, Matthias Nagel, Foto: S. Backmund

Was erwartete die Besucher*innen in der Sonderausstellung?
Bei einer Führung konnten sechs Personen für die Dauer von 45 Minuten „Blind Date mit Stuttgart“ besuchen. Sie wurden vom unterstützenden Guide mit Laterne in den Eingangsbereich der Ausstellung begleitet. Der führende Guide begrüßte dann die Gruppe im Dunkeln und gab für zwei Stationen Blin-denlangstöcke aus.
Station 1: Stuttgarter Hauptbahnhof. Es waren verschiedene Bahnhofsgeräusche zu hören, die Geräusche gaben Infos, waren aber auch ein gewisser Stressfaktor. Aufgabe: mit dem Blindenlangstock ein kurzes Stück einem Leitstreifen folgen.
Station 2: Mit Hilfe des Langstocks sollte ein Sitzplatz auf Vierer-Sitzgruppen der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) gefunden werden. Diese Sitzplätze waren im Original und wurden von der SSB zur Verfügung gestellt. Der Sound simulierte eine Fahrt mit der U6 vom Hauptbahnhof zum Charlottenplatz. Nach der Station 2 wurden die Langstöcke wieder eingesammelt.
Station 3: Markthalle. Hier gab es eine Riechstation mit Gewürzen und eine Taststation mit Früchten und Gemüse.
Station 4: Marktplatz vor dem Rathaus. Hier war das Glockenspiel vom Rat-hausturm zu hören. Aufgabe: Das Wappen der Stadt Stuttgart, das Stuttgar-ter Rössle, sollte ertastet werden; zum einen als Relief, zum anderen als ein dreidimensionales Modell. Weitere Aufgabe: im Rathaus eine gelbe Karte (Be-schwerdemanagement der Stadt Stuttgart) in den Briefkasten stecken.
Station 5: Stäffele. Hier konnten die Besucher*innen entscheiden, ob sie die-se Station auslassen möchten. Die meisten entschieden sich dafür, über die kleine Treppe zu gehen. Diese wurde aus dem Theaterfundus des Jungen En-sembles Stuttgart (JES) zur Verfügung gestellt. Links und rechts gab es einen Handlauf, es ging vier Stufen aufwärts, eine kurze Plattform und wieder vier Stufen abwärts. Dies verlangte von den Besuchergruppen Konzentration.
Station 6: Blindenfußball. Der Klingelball wurde gezeigt, man konnte auf Kunstrasen treten und hörte ein kurzes Stück vom Spielverlauf mit Strafstoß. Zwei Klingelbälle, der Kunstrasen und ein ca. 2,5 m langes Stück einer Bande von der Abteilung Blindenfußball im MTV Stuttgart bereicherten die Ausstel-lung.
Station 7: Höhenpark Killesberg. Die Besucher*innen durften auf Bänken Platz nehmen und über Geräusche die Erholung des Parks auf sich wirken lassen. Viele erkannten bei den Geräuschen das Killesbergbähnle mit Dampflok. Zum Schluss wurde ein Mini-Täfelchen Schokolade von Ritter Sport verteilt, damit der Geschmackssinn nicht vergessen wurde. Wenn noch Zeit blieb, beantworteten die Guides Fragen der Besucher*innen. Dann begleitete der unterstüt-zende Guide mit der Laterne die Gruppe aus der Ausstellung. Den eigentli-chen Ausstellungsraum bekamen die Gruppen nicht zu sehen. Diesen galt es im Dunkeln zu erleben.
Die Führungen waren sehr gefragt. Unter der Woche gab es auch Führungen für Schulklassen. Diese Führungen waren teilweise eine echte Herausforde-rung. Die Kinder waren oft sehr aufgeregt und unsicher. Für die Guides waren die Führungen durch die Ausstellung „Blind Date mit Stuttgart“ eine an-spruchsvolle und abwechslungsreiche Aufgabe. Es ergaben sich oft interes-sante Gespräche mit den Besuchergruppen und dann war es bedauerlich, dass wir die zeitliche Vorgabe von 45 Minuten einhalten mussten, denn meistens wartete bereits die nächste Besuchergruppe.